3 Väter von Nando Von Arb
Nick Lüthi
In der autobiografischen Graphic Novel 3 Väter erzählt Nando von Arb die Geschichte seiner Kindheit und Jugend in einer Patchworkfamilie. Aufgewachsen ist Nando von Arb nämlich mit drei Vätern: einerseits war da sein leiblicher Vater, andererseits waren da aber auch Kiko, Vater einer seiner beiden Schwestern und Zelo, der neue Partner der Mutter. Die Familie war arm und die alleinerziehende Mutter stiess oft an ihre Grenzen, sowohl finanziell als auch mit der Betreuung der drei Kinder. Die drei Väter sind dabei mal mehr, mal weniger präsent. Bewusst subjektiv und aus den Kindesaugen des kleinen Nando, der Hauptfigur, erleben wir in bruchstückhaften Szenen seine Kindheit in dieser zusammengewürfelten Familie.
Nando von Arbs Werk beweist sich als ein geschickt erzähltes, das auf verschiedenen Ebenen funktioniert. Mit wenigen Worten, die entweder vom Erzähler oder aus den Konversationen der Figuren stammen, wird hier die szenisch erzählte Geschichte navigiert. Das gelingt aussergewöhnlich gut, der Wechsel von der Zugfahrt mit der Mutter zur Phimose und anschliessenden Beschneidung geschieht, ohne erzählerische Lücken aufzureissen. Bild und Wort ergänzen sich dabei gegenseitig, nur wenn etwas nicht in Bildern erzählt werden kann, bemüht von Arb dazu Worte. Das szenische Erzählen und der schnelle Wechsel von einer Szene zur Nächsten ist symptomatisch für die Erzählweise, es geht hier nicht darum eine zusammenhängende Geschichte zu erzählen, sondern ein Narrativ in Skizzen zu liefern. Es bleiben auch nicht unbedingt die Geschehnisse in Erinnerung, es sind die Beziehungen zwischen den Figuren, die haften bleiben. Erzählt wird konstant aus kindlicher Perspektive. Aus dieser Perspektive gelingt es, sehr sanft und einfühlsam die Gefühlszusammenhänge der Figuren auszuloten.
Gebrochen wird die kindliche Perspektive durch die Erzählstimme, die immer wieder auch die Unzuverlässigkeit der eigenen Erinnerung thematisiert. Am Anfang ist diese Erzählstimme stark präsent und weiss gerade über die Mutter viel zu erzählen und lotet damit die Situation der Familie aus. Nach und nach bekommt diese Erzählstimme aber immer weniger Raum und gibt sich nur noch in kurzen Sequenzen zu erkennen, meist um die Stimmung für die folgende Szene zu setzen. Überhaupt lebt dieses Buch sehr stark von den erzeugten Stimmungen. Die Stimmung wird einerseits durch das Narrativ erzeugt, andererseits aber natürlich auch durch Zeichenstil und Farbgebung.
Der Zeichenstil ist krakelig, schlicht und wenig detailliert. Konterkariert wird dieser grobe Stil mit gleissenden und grossflächigen Farben. In entsättigten Tönen springen die Farben aus dem Buch heraus und laden zum stundenlangen Versinken ein. Der grobe Stil dient auch den Figuren, die so noch einmal verstärkt werden in ihrer Schemenhaftigkeit. Die Mutter ist ein Vogel, der Vater ein Wolf, Zelo ein golemartiger Riese und Kiko hat O-Beine wie Stelzen. Von Arb bemüht dabei immer wieder auch Versinnbildlichungen, lässt die Bilder die Arbeit verrichten, die er den Worten verwehrt. An den besten Stellen treffen sich die Merkmale. Kurze Worte der Erzählstimme treffen auf Versinnbildlichungen mit geschickter Farbgebung. So wird Seitenfüllendes Rosa zu einer Lache um dann von komplettem Weiss abgelöst zu werden, als die Mutter alles für ihre Kinder gegeben hat und danach komplett entleert beim Staubsaugen weint.
Nebst den inhaltlichen Qualitäten, weiss dieser Band auch gestalterisch zu überzeugen. Die Ausgabe ist schlichtweg hervorragend und man kann jedem grafischen Werk nur eine solche wünschen. Im geprägten Halbleineneinband, wartet das Buch mit sage und schreibe 3 Lesebändchen auf. Viele der 300 Seiten sind in tiefste Farben getaucht, die auf dem schweren Papier bestens zur Geltung kommen. Überhaupt ist der Band bis ins letzte Detail ausgestaltet. Dieses Schmuckstück macht sich wirklich gut im Regal.
3 Väter macht sehr vieles richtig. Alleine die Farben lassen einen Zeit und Raum vergessen und laden zum Versinken und Eintauchen ein. Nando von Arb skizziert sehr geschickt die Szenen einer Kindheit und reisst in diesen viele Beziehungsebenen auf. Manchmal selbstreflexiv, oftmals ohne Worte, folgt man den Beziehungen innerhalb dieser Patchworkfamilie, immer gezeichnet aus den Augen des jungen Nando. Begleitet wird diese Erzählung von einer schlichtweg grandiosen Ausgabe.
Zum Buch: bedruckter und geprägter Einband (Halbleinen) · bedrucktes Vorsatzpapier (Illustration) · 3 Lesebändchen (hellrosa, gelb, grün) · fadengeheftet
Mehr über die Bücher der Edition Moderne:
Die 1981 entstandene Edition Moderne ist der einzige Comicverlag der Deutschschweiz. In Zürich werden jährlich etwa 12 Bücher produziert, viele davon sind Erstveröffentlichungen von jungen deutschsprachigen Zeichner*innen.
Das Verlegerinnenteam um Claudio Barandun und Julia Marti war zu Gast im BookGazette Podcast. Nachzuhören hier:
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