Am schwarzen Loch von Chrizzi Heinen
Nick Lüthi
Hildi, eigentlich Hildegunde, lebt mit ihren besten Freunden Bodo und Gregor irgendwo in Berlin. Die drei sind Grossstadthipster allererster Güteklasse. Alle machen sie nebenbei noch so irgendetwas mit Kunst, die beiden besten Kumpel Bodo und Gregor betreiben im Rahmen eines Kollektives einen Club, verkaufen aufm Markt giftige Löwenzahnmarmelade und Gregor hat eine Radiosendung, die Nachts läuft und die keine Sau hört. Von den Frisuren der beiden ganz zu schweigen. Das gemütliche Grossstadtleben der drei ist vorbei, als Hildi zur Erbin wird. Ihr Schweizer Grossonkel vermacht ihr ein Schwarzes Loch, von da an ist sie eine Locherbin. Das schwarze Loch wird bei ihr im Badezimmer installiert und das Badezimmer mit Gips versiegelt. Praktisch ist das nicht wirklich, Hildis Wohnung ist von da an unbewohnbar. Zuerst hält sie das Loch vor Bodo und Gregor geheim, als sie dann aber zu Gregor zieht, weil sie in ihrer Wohnung ja nicht mehr leben kann, kommt das Gefüge und Leben der drei ziemlich ins Wanken.
Wem das Ganze nun etwas absurd anmutet, der liegt sicherlich nicht falsch. An absurden Ideen, überdrehten Klischees, übertriebenen Kulturtheorien und selbstüberzeugten Wissenschaftlern mangelt es hier wahrlich nicht. Die im besten aller denkbaren Sinne blödsinnige Ausgangsidee weist schon auf den Erzählton hin, der hier vorherrscht. Echt sind nur die Menschen und ihre gegenseitigen Gefühle, alles andere ist abstrus, fantastisch und over the top. Das ist gut so, denn davon lebt dieser Roman. Das schwarze Loch und die dahinterliegende Metaphorik bilden dabei Dreh- und Angelpunkt.
Ein schwarzes Loch im Badezimmer ist ja reichlich abstrus, Chrizzi Heinen lässt aber um dieses allesfressende Loch eine wahre Flut an Metaphern, Allegorien und Sprachspielen erblühen. Manchmal ist das offensichtlich, etwa wenn der Club den Bodo und Gregor mitbetreiben den Namen Das Loch hält, dann wird es etwas subtiler, etwa wenn es um die Anziehung zwischen Gregor und Hildi geht und am Schluss wird nur angedeutet, wofür das schwarze Loch im Leben der drei Freunde stehen könnte. Glücklicherweise überspannt Heinen den Bogen aber nicht und lässt die Metaphern- und Allegorienvielfalt in erträglichem Rahmen spriessen. Das schwarze Loch dient hier viel eher, als Konstruktionsmechanismus um den kunstfertig die Geschichte gewoben wurde. Dieser kunstvollen Konstruktion dient das schwarze Loch als Projektionsfläche und auch immer wieder für abstrusen Ulk. So kommt etwa Bodo auf die Idee den vom Loch angezogenen Staub zu Wolle zu verarbeiten, die sie dann auf dem Markt verhökern. Die durchs Loch ausgelösten Ereignisse spiegeln immer auch, was zwischen den Figuren vorgeht und sind damit auch klassische Stilmittel phantastischer Literatur.
Trotz der vielen Ideen und Gedanken geht dem Roman in der zweiten Hälfte etwas die Luft aus. Ich empfand den Roman dabei als etwas zu lang und hatte das Gefühl, dass die Dinge, die gesagt werden wollten, auch in etwas kürzerer Form gut aufgeklungen hätten.
Alles in allem war das aber eine sehr vergnügliche Lektüre. Den drei liebenswerten Grossstadthipstern folgt man gerne, trotz Klischees bleiben sie glaubhaft und wunderbar durchgedreht. Chrizzi Heinen überzeugt mit überbordender Fantasie und einer Fülle an abstrusen Ideen. In dieser Fülle geht die Geschichte aber nicht vergessen und in den Abstrusitäten spiegeln sich die Gefühlshaushalte der Figuren wider. Wer schon immer gerne am Sonntagmorgen Hagebutten als Baustoff oder Löwenzahnmarmelade gekostet hätte, Am schwarzen Loch bietet die perfekte Grundlage dafür.
Zum Buch: Klappbroschur · Klebebindung
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