Der Platz an der Sonne von Christian Torkler
Nick Lüthi
Mir wurde vom Verlag ein elektronisches Leseexemplar zur Verfügung gestellt.
Der Platz an der Sonne von Christian Torkler spielt in einer anderen Realität, in einer Realität in der es einen dritten Weltkrieg gab. Durch diesen dritten Weltkrieg hat sich vieles verändert: Deutschland ist in sechs oder sieben verschiedene Staaten zerfallen und ganz Europa geht es schlecht. Reichtum und Wohlstand haben sich verschoben und die grossen Geldmengen der Welt werden von der Afrikanischen Union regiert. So ist das Ziel in dieser Welt auch nicht, nach Europa zu kommen, im Gegenteil, das Ziel ist es nach Afrika zu emigrieren.
Von dieser kontrastierten Welt erzählt uns Josua Brenner, der Ich-Erzähler und Protagonist des Buches. Aufgewachsen ist Brenner in der Neuen Preussischen Republik, eines der Deutschlands das von einer diktatorischen Regierung gebeutelt wird. Der erste Teil des Buches erzählt von Brenners Leben im neuen Preussen, der zweite von seiner Flucht nach Afrika. So viel erstmal zum Plot.
Die Idee dieses Buches finde ich grossartig, die aktuelle Welt zu nehmen und sie 180 Grad auf den Kopf zu stellen. Das Mittelmeer bleibt immer noch der Übergangsort für Sehnsüchtige, die ein besseres Leben suchen, nur ist halt Italien nicht mehr das Endziel einer Mittelmeer-Überfahrt, sondern der Ausganspunkt der Reise. An dieser Analogie würde sich so vieles spiegeln lassen und hier sah ich grosses, grosses Potential für dieses Buch. Leider wird diese Chance vertan.
Der ganze Erzählstil des Buches ist dermassen redefreudig, dass immer passiert und passiert, aber reflektiert wird hier nichts. Es wird immer nur erzählt und erzählt und man vermisst die Leerstellen. Man vermisst als Leser, das mal etwas nicht gesagt wird und, und dies fand ich viel schlimmer, das auch einmal etwas reflektiert wird. Durch den Plauderton und den Erzählstil, der immer so locker-flockig ist, verliert der Roman vieles an seiner möglichen Brisanz. Das Mitfühlen mit den Figuren hat mir völlig gefehlt. Hier hätten weniger Seiten sicherlich auch geholfen, wenn das Buch schon nur 350 statt fast 600 Seiten hätte, wäre vieles unter Umständen nicht dermassen ausführlich und genau erläutert. Ich fands einfach schade zu lesen und zu lesen und des Öfteren zu denken, diese Stellen hätte es jetzt nicht gebraucht.
Nebst diesem grossen Kritikpunkt, macht Der Platz an der Sonne vieles richtig. Die alternative Realität die hier aufgesponnen wird macht wirklich Spass und lebt von ihrer starken Ausgangsidee. Es hat viele Elemente klassicher Trümmerliteratur, für die es die alternative Realität nicht gebraucht hätte, aber trotzdem, die Idee und die daraus entstandene Welt gefällt mir ganz gut. Der Roman liest sich auf sehr flüssig, gerade auch weil Brenner eine Plaudertasche vor dem Herrn ist.
Was man dem Buch leider auch anmerkt: Es wurde von einem Mann geschrieben. Die Frauenfiguren die vorkommen, haben nur die Aufgabe den Männer zuzuarbeiten und komplett alle Frauenfiguren werden ausschliesslich über die jeweils relevanten Männer definiert, zu denen sie in der Geschichte in Verbindung stehen. Frauenfiguren als eigenständige Wesen sind Fehlanzeige.
Demnach bleibt mir folgendes Gesamtfazit: Ein Buch mit sehr viel Potential und einer tollen Ausgangsidee, aber leider zu viel verschenktem Potential. Lesenswert ist es trotzdem, gerade wer Kriegs- und Nachkriegsliteratur mag, dem wird dieses Buch sicherlich gut gefallen. Den nächsten Torkler werde ich sicher wieder in die Hände nehmen, hoffentlich dann mit deutlich weniger als 600 Seiten.
Der Platz an der Sonne auf der Seite des Verlages
We are a shadow of jaguars.
Thanks for reading us.