Der Vogelgott von Susanne Röckel
Nick Lüthi
“Der Vogelgott” erzählt die Geschichte einer Familie und deren Verwicklung mit einem Gemälde und einem uralten Mythos. Demjenigen des Vogelgottes. Aus der Sicht von vier Familienmitgliedern wird die Geschichte um diesen Kult des Vogelgottes erzählt. Jeder der Vier, ist auf seine Art und Weise mit dem Vogelgott verbunden. Der Vater, der ihn als Geier niederringt, tötet und ausstopft und die drei Kinder, die sich ihm im Wahn annähern.
Man merkt es vielleicht, Röckels Prosa macht es einem nicht leicht, genaue Worte dafür zu finden. Nie verliert sich der Roman im Expliziten, immer bleibt etwas Mysteriöses, Sagenumwobenes, Undefinierbares zurück. “Der Vogelgott” überzeugt nicht grundsätzlich wegen seiner Geschichte, der Roman überzeugt durch seine atmosphärische und sprachliche Dichte. Durch den fleischgewordenen Wahn. Durch die Manifestation des Unheils in einem gefiederten Boten. Lange weiss man nicht, was hier passiert. Es scheint mir auch jetzt, nach der Lektüre, noch nicht völlig klar. Gerade auch dadurch weiss dieser Roman zu überzeugen. Warum habe ich das selbst wie im Wahn gelesen, obwohl ich jetzt immer noch nicht weiss, was genau ich da gelesen habe?
Nach einem Prolog, folgt die längste Erzählung, diejenige des jüngsten Sohnes Thedor und nach etwas mehr als hundert Seiten, bricht die Erzählung abrupt ab und die Erzählperspektive wechselt zu Thedors Schwester. Dieser erste Wechsel der Perspektive zeigt sofort auf, was für einen Sog diese Geschichte entwickelt, man bleibt als Leser zurück und fragt sich, weshalb diese Geschichte nun schon ende.
Nebst seiner fanatischen Sogwirkung, dem Wahn der Familie Weyde verfällt der Leser unweigerlich auch, überzeugen Röckels Sprachbilder und die Metaphernvielfalt ungemein. Überall kräht es. Überall lauern nach Aas riechende, befiederte Gesellen. Und immer wandelt die Autorin punktgenau auf der Linie zwischen Tatsächlichem und Angedeutetem. Nie verfällt der Roman auch nur an einer Stelle in Schwammigkeit, trotzdem wird nie ganz klar, was vor sich geht. Und vielleicht ist ja genau dies der beste Ausdrucks des Wahns, dem die Mitglieder der Familie verfallen.
Ein Roman über den Wahn, den Wahnsinn, eine Familie und, vielleicht auch, unsere Gesellschaft. Lesen sollte man den auf jeden Fall.
Susanne Röckel: Der Vogelgott.
272 Seiten.
hier rezensiert als e-book.
Jung und Jung.
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