Dünner Ort von Alke Stachler

“Dünner Ort” versammelt Texte von Alke Stachler, welche mit Fotografien von Sarah Oswald illustriert wurden. Die besagten dünnen Orte sind Orte, die besonders durchlässig sind zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten, wie die Autorin im am Ende abgedruckten Briefwechsel zwischen ihr und dem Lektor erläutert. Die abgedruckten Texte befassen sich alle im kleinen oder grösseren Rahmen mit dünnen Orten, wobei hier die Betonung sicherlich auf “Ort” zu legen ist.

Alke Stachlers Texte sind durchsetzt von Mischwesen, von Geistern, Hexen und Toten, Nebel und Schatten, bleiben also alleine durch ihre Bevölkerung in diesen Zwischenräumen, in diesem halb hier und halb dort verankert. Beständig ändert sich dabei die Erzählperspektive, vom Ich-Erzähler über auktoriale und sogar Erzähler in der zweiten Person, haben sie uns alle etwas zu erzählen. Wie die Perspektiven wechseln, so wechseln auch die Blickwinkel auf die dünnen Orte.

Ein dünner Ort ist aber nicht nur eine Sammelstelle für diese Mischwesen, es ist immer auch ein spezifischer Ort. Dadurch eröffnet sich den Texten eine zweite Dimension, es geht nicht nur um die Wesen die diese Orte bevölkern, sondern immer auch um die Orte selbst und die Ausgestaltung der Landschaft dieser Orte. Ausgangspunkt der Texte ist immer der bangende Wunsch des Erzählers, entweder mit den Wesen oder den Orten selbst in Verbindung zu treten. Sei es nun um mit den Toten ins Gespräch zu kommen oder zur Selbsterkenntnis zu gelangen.

mitten im hungrigen, nassen wald, da, wo der wald
anfängt           ein tier zu sein, steht
ein haus, in dem eine hexe lebt, die kinder frisst,
sie verdaut im namen des waldes. sie spricht mit
dem schwarzgrünen regen, den glänzenden, ein-
gerollten parasiten im stein alten holz, eines morg-
gens, die haare nass, seife im aufge, spüre ich ich
bin                   dieses haus.
Alke Stachler, Dünner Ort, S. 7
Es wurden so gut als möglich die typographischen Merkmale des Originals abgebildet.


Mit beeindruckender Präzision führt uns “Dünner Ort” in Zwischenreiche, macht uns bekannt mit Mischwesen. Manchmal für einen kurzen Schwatz, manchmal für einen geschärften Blick auf das Selbst und manchmal für einen längeren Aufenthalt. Das ist atmosphärisch. Das ist dicht. Das ist manchmal überbordend und auch überfordernd. Aber entkommen können wir ihnen nicht, weder den Orten noch den Wesen. Denn gleichzeitig begleitet uns eine ungetrübte Faszination, welche uns dünne Orte aufsuchen lässt.

Ich kann dich hören von Katharina Mevissen
Dünner Ort von Alke Stachler.

Alke Stachler: Ich kann dich hören.

Mit fotografischen Illustrationen von Sarah Oswald.

64 Seiten.

Edition Mosaik.

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