Ich kann dich hören von Katharina Mevissen

Ich kann dich hören von Katharina Mevissen

Osman ist ein junger Cellist und steht kurz vor Zwischenprüfungen an seiner Musikhochschule als Suat, sein Vater, und seines Zeichens ebenfalls klassischer Musiker, sich die Hand bricht. Die gebrochene Hand und damit wichtigstes Arbeitsinstrument für einen Violinisten werfen Osman zurück in eine Beziehung, die ihm nicht guttut. Der ehrgeizige Vater hat immer viel verlangt vom jungen Osman, war aber gar nie da.

Sowohl Osman als auch sein Bruder Wilhelm, pflegen so gut wie keinen Kontakt mehr zum Vater. Mitleidende ist dabei aber auch ihre Tante, Elide, die, als die Mutter der beiden Brüder plötzlich verschwand, die Rolle als Ersatzmutter übernommen hat. Durch die gebrochene Hand wird Osman gezwungen, seinen Vater zu besuchen und damit auch, an seiner Vergangenheit herumzubasteln. Osman ist als Musiker gezwungen, genau und gut zuzuhören, nur die zwischenmenschlichen Töne, die hört er nicht. Seien es die von seiner Tante, von seiner Mitbewohnerin, von seinen Freunden. Erst durch einen Zufallsfund, ein Diktiergerät, entdeckt Osman das Zuhören.

Leider konnte mich dieser Roman nicht überzeugen. Grundsätzlich versuche ich ja, in meinen Rezensionen mehr zu bieten, als blosse subjektive Leseeindrücke. Also ein stimmiges Gesamtbild eines Buches und der darin wiederkehrenden Motive und Charaktere zu liefern. Für “Ich kann dich hören” mache ich dies nicht, denn ein Buch, welches einem nicht gefällt, ist immer mit subjektiven Eindrücken verwoben, deshalb erlaube ich es mir auch, in geänderter Erzählposition über dieses Buch zu sprechen.

Das Problem an diesem Roman kann für mich auf zwei Punkte heruntergebrochen werden. Erstens auf die Hauptfigur und zweitens auf den Plot. Osman als Hauptfigur ist für mich ein komplettes Nichts, der Typ fühlt nichts, der denkt nichts, der macht nichts, das ist einfach ein formbarer Klumpen. Ich erkenne beim Lesen keine Motive für seine Handlungen, keine Beweggründe für sein Denken. Nun ja, eine solche Hauptfigur ist ja vordergründig nichts Schlechtes, ein Protagonist, der sich treiben lässt von den Ereignissen, kann durchaus spannend und aufregend sein, wenn denn die Geschichte dementsprechend gebaut ist. Hier ist aber das Problem, dass Osman zugleich auch der Erzähler ist.

Was uns zu meinem zweiten Problem führt: Die Geschichte wirkt auf mich konstruiert und bemüht. Ich glaube einfach nicht, was da passieren soll. Das fängt bei den Gesprächen zwischen der Tante und Osman auf und hört bei den Aufzeichnungen auf dem gefundenen Diktiergerät auf. Man merkt der Geschichte die Konstruktion immer wieder an, was zu einem gebrochenen Lesefluss führt.

Nun denn, “Ich kann dich hören” ist natürlich kein grundsätzlich verkorkster Roman, mich haben einfach die Hauptfigur und der Plot so gestört, dass dies für mich im Ganzen kein befriedigendes Leseerlebnis darstellte. Aber, die Arbeit mit dem Leitmotiv des Hörens, die gelingt ganz gut, weil bewusst damit gespielt wird. In seinen besten Momenten ist der Roman auch durchaus packend, nämlich immer dann, wenn er von Osman und seiner Mitbewohnerin erzählt. Das gegenseitige Begehren, die tapsigen Schritte aufeinander zu, werden hier wunderbar herausgearbeitet.

Ich kann dich hören von Katharina Mevissen.

Katharina Mevissen: Ich kann dich hören.

168 Seiten.

Wagenbach.

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