Barfuß geht die Zeit und Ich lege mein Herz von Ingrid Zebinger-Jacobi
Nick Lüthi
2018 erschien mit Barfuß geht die Zeit das literarische Debüt von Ingrid Zebinger-Jacobi in der österreichischen Edition Keiper. Kaum ein Jahr später erschien mit Ich lege mein Herz, bereits ein zweiter Erzählband. Sind die Erzählungen des ersten Bandes noch als Übergänge ausgewiesen, sind es beim zweiten schlicht noch Kurzgeschichten. Es ist höchste Zeit, diese Autorin und ihre Erzählungen einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.
Die Erzählungen von Zebinger-Jacobi sind kurz, selten länger als 7–8 Seiten und drehen sich meist um eine zentrale Figur. Der Blickwinkel dieser einen Figur wird in der Erzählung dann genau beleuchtet und mit grossem Einfühlungsvermögen wird deren Erleben geschildert. Den Kern, der eigentlich alle Erzählungen Ingrid Zebinger-Jacobis zusammenhält, ist einerseits die jeweilige Hauptfigur als auch die Atmosphäre, die von dieser Figur ausgeht. Die Erzählungen beginnen mit Figur und Situation, lösen sich dann von dieser Situation und schaffen Atmosphäre. Legen exakt dar, wie die Figuren fühlen, denken und handeln und sind dabei nahe am Erleben dran.
Die erzählten Situationen sind weit gespannt: Eine Frau geht ihrem untreuen Partner aus dem Weg, ein Seiltänzer spannt ein Seil über ganz Paris, trachtet aber eigentlich seinem Onkel nach dem Leben, zwei Frauen liefern sich im Rollstuhl ein tödliches Duell, ein 16-jähriges Mädchen ertrinkt fast in den Fluten des Meeres, während sie von einem 50-jährigen Mann aus der Ferne des Strandes beobachtet wird, ein Paar mit gemeinsamer Vergangenheit trifft sich zum Blind-Date, nur einer der beiden wird begeistert sein.
Man kann es aus den skizzenhaften Zusammenfassungen ablesen, Zebinger-Jacobis Geschichten drehen sich um die conditio humana. Befassen sich mit dem Zwischenmenschlichen, den Gefühlen, die zwischen Menschen stehen und oftmals kaum greifbar sind, und dem, was Unausgesprochen bleibt. Ihre Erzählweise dabei ist verschachtelt, fängt die feinen Zwischentöne ein, die Erzählungen haben aber oft ein pointiertes Ende. Die Figuren sind fast ausschliesslich Getriebene, haben grosse Träume oder grosse Schuld, suchen den ihnen eigenen Platz in der Welt. Meist ist das Setting realistisch, ab und an wird dieses aber auch mit übernatürlichen und phantastischen Elementen angereichert.
Es ist spannend zu beobachten, wie sich Ingrid Zebinger-Jacobi vom ersten zum zweiten Band als Autorin weiterentwickelt hat. Gerade was das Schaffen von Atmosphäre angeht, ist der zweite Band, Ich lege mein Herz, noch einmal ein beeindruckendes Stück stärker als der erste. Dies hängt hauptsächlich mit der präziseren und dichteren Sprache dieses Bandes zusammen. Die Motive und Situationen sind dafür aber weniger breit angelegt, was dem Band aber keineswegs abträglich ist. Im Gegenteil, die erweiterte sprachliche Dichte wird auch durch die Motivwahl erneut untermauert. In Dichte und Präzision erinnert das stellenweise auch an die Erzählungen von Christopher Ecker.
Das Ingrid Zebinger-Jacobi Atmosphäre und glaubhafte Figuren schaffen kann, hat sie mit ihren beiden Erzählbänden mehr als bewiesen. Nun bleibt nichts anderes übrig, als auf ihren ersten Roman zu warten. Und in der Zwischenzeit ihre Erzählungen zu lesen.
Ingrid Zebinger-Jacobi: Ich lege mein Herz.
Veröffentlichung 2019.
192 Seiten.
Edition Keiper.
Webseite zum Buch Zum Buch:
bedruckter Einband (Karton) · fadengeheftet
Ingrid Zebinger-Jacobi: Barfuß geht die Zeit.
Veröffentlichung 2018.
168 Seiten.
Edition Keiper.
Website zum Buch Zum Buch:
bedruckter Einband (Karton) · fadengeheftet
Zum Verlag:
Österreichische Gegenwartsliteratur ist die Domäne der Edition Keiper. Seit 2008 entstehen so in Graz Bücher zu einem weiten Literaturbegriff.
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