Jacob Böhme von Wolfgang Bauernfeind
Nick Lüthi
Der deutsche Gelehrte und Philosoph Jacob Böhme ist der bedeutendste Sohn der Stadt Görlitz. Als in einem Keller in Görlitz ein bisher unbekanntes Manuskript von Böhme auftaucht, ist die Aufregung in der internationalen Böhme-Forschung verständlicherweise gross. Alle namhaften Forscher tauchen innert kürzester Zeit aus den verschiedensten Winkeln der Welt in Görlitz auf und stürzen sich auf das Manuskript. Jenes Manuskript ist ein Sensationsfund, es enthält Tagebucheinträge von Böhme, welcher ansonsten nur wissenschaftliche Schriften verfasst hat. In den Forschenden ruht die Hoffnung, sie könnten die Weltformel Jacob Böhmes entdecken, der Zeitlebens als Alchemist nach dieser gesucht hat.
So die Ausgangslage des Romans “Jacob Böhme. Auf der Suche nach seiner Weltformel”. Durchaus ein spannender Ausgangspunkt für einen Plot und auch der Grund, weshalb ich diesen Roman lesen wollte. Leider war das Lesevergnügen dann aber eher mau. Eine tolle Ausgangsidee versandet in einer trägen Restgeschichte. Nach einiger Überlegung glaube ich auch, beziffern zu können, weshalb mir der Roman nicht zugesagt hat. Er hat mit meiner Erwartungshaltung als Leser gebrochen.
Der Roman ist so aufgebaut, dass die Forschenden in Görlitz eintreffen und sich auf die Manuskripte stürzen. Sobald sie dies tun wird klar, die Geschichte rund um die Forschenden stellt nur die Rahmenhandlung dar. Im Eigentlichen geht es um die Originalmanuskripte. Diese Manuskripte werden dann stellenweise über mehrere Seiten zitiert und ab und an wird wieder ganz kurz eine Notiz vom Ich-Erzähler zum zitierten Manuskriptteil gemacht.
Dieses Vorgehen, bricht ganz klar mit meinen vorangestellten Erwartungen als Leser. Der “Roman” wird Opfer seiner Gattungszuteilung. Das ist für mich kein Roman im eigentlichen Sinne, da nicht mit Figuren gearbeitet wird. Es gibt zwar diverse Wissenschaftler, welche technisch gesehen Figuren sind. Diese denken und fühlen aber so wenig, dass dies höchstens Schemata von Figuren sind. Gerade auch, weil sie keine Motive für ihre Handlungen erhalten, damit also nicht Figuren sind wie man (oder wie ich) sie in einem Roman erwartet. Wo Roman draufsteht, erwarte ich Figuren mit Motiven und Handlungsdrang, die gibt es hier nicht wirklich.
Das zweite Problem der Bezeichnung als Roman ist natürlich auch, dass es sich ganz klar um einen fiktionalen Text handelt, aber innerhalb dieses fiktionalen Textes wird wiederum impliziert, dass man es mit “echten”, bisher unentdeckten Manuskripten Böhmes zu Tun habe. Aus diesen Manuskripten wird häufig zitiert und grosse Teile des Buches bestehen aus ebendiesen Zitaten. Von der Art wie das Buch zu grossen Teilen aufgebaut und erzählt wird, handelt es sich also eigentlich um eine nicht-fiktionale Form des Erzählens, es werden seitenweise Originalzitate verwendet und immer wieder kommentiert. Das ist also viel eher eine um Notizen ergänzte Manuskriptabschrift. Was natürlich aber auch nicht stimmt, da die Rahmenhandlung ja existiert und die Manuskripte folglich fiktionaler Natur sind.
Somit zeigt sich also das Dilemma in seiner ganzen Grösse: Der Text ist fiktional, alles ist erstunken und erlogen, was natürlich legitim ist. In seiner Form aber, suggeriert der Text wiederholt: “Hallo, ich bin ein Sachtext”. Bricht also in doppelter Weise mit der Erwartungshaltung des Lesers. Nun darf man dies sicherlich tun, vordergründig ist nichts Falsches daran, einen fiktionalen Text mit den Mitteln eines faktenbasierten Textes auszustatten. Das Problem hier ist aber, dass weder das eine noch das andere gelingt. Kurzum, der Text ist weder Fisch noch Vogel. Die Mittel des faktenbasierten Erzählens machen die Fiktionalität kaputt, weil die Figuren so zu wenig Raum zur Entfaltung erhalten und die Fiktionalität des Textes macht seinen Gehalt zunichte. Trotz einer eigentlich tollen Ausgangsidee hat der Roman so stark mit meinen Erwartungen gebrochen, dass daraus ein unbefriedigendes Leseerlebnis resultierte.
Wolfgang Bauernfeind: Jacob Böhme. Auf der Suche nach seiner Weltformel.
216 Seiten.
Mitteldeutscher Verlag.
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