Kaiser ruft nach von Thomas Heimgartner
Nick Lüthi
Kaspar Kaiser ist ein Lokaljournalist. Am liebsten befasst er sich im Rahmen seines Berufes mit Nekrologen. Also mit Abgesängen auf Tote. Da Kaiser nebst dieser Vorliebe auch einen gewissen Hang zum Narzissmus aufweist, schreibt er seinen eigenen Nachruf auch gleich selbst. Rein vorsorglich natürlich. Und so beginnt Kaiser ruft nach, Hauptfigur und Ich-Erzähler Kaspar Kaiser tut genau das, er ruft nach und hält einen Abgesang auf das eigene Leben.
Da laufen wir den verschiedenen Stationen seines Lebens entlang, immer unterbrochen und gleich analysiert von Kaiser selbst. Geburt, Kindheit und Jugend, erste Liebe, Studium und dann die grosse Liebe: Sara. Auf den prompten Sprung in den Fluss bei der ersten Begegnung folgen Dates, der Zusammenzug und schlussendlich die Hochzeit. Die Hochzeit bildet nicht nur in Kaisers Leben eine Zäsur, sie wird auch gleich zur erzählerischen Zäsur genutzt. Ich-Erzähler Kaiser muss die Klappe halten und ein auktorialer Gegenpart übernimmt den Nekrolog. Das ist auch besser so, hätte Kaiser doch einige Erklärungsnot, weshalb er sich in der Folge wie der grösste Depp auf Gottes Erden benimmt.
Heimgartners Novelle wird von der etwas morbiden Leidenschaft seiner Hauptfigur getrieben. Im ersten Teil hört man Kaiser gerne zu, wie er selbstironisch und etwas selbstverliebt aus seinem eigenen Leben berichtet und dabei immer wieder penibel darauf achtet, seine Motive und Taten genau zu erklären. Kaiser als Figur hat dabei etwas schelmenhaftes. Er driftet durchs Leben, hintersinnt die wenigsten Dinge und hat immer das nötige Glück, um wieder auf zwei Füssen zu landen. Gleichzeitig ist Kaiser, wie ein Schelm auch, ein genauer Beobachter seiner Umwelt und seiner selbst. Er weiss daraus Amüsantes zu berichten, ohne aber die Dinge gross beeinflussen zu können. Das Leben zieht in mit.
Kaiser ruft nach erzählt im Kern eine coming-of-age story, auch wenn sie von einem ausgewachsenen Mann (zumindest physisch) handelt. Die Geschichte überzeugt vor allem durch die ungewöhnliche Form, in welcher sie erzählt wird. Das Leitmotiv des Todes bestimmt einerseits in stringenter Weise die Form des Werkes, wird andererseits aber auch immer wieder genutzt, um Kaisers Handeln zu erklären. Das Spiel zwischen morbid-ernster Anspielung und witzig-fröhlichem Erzählton gelingt dabei aussergewöhnlich gut. Heitere und amüsante Momente (meist benimmt sich Kaiser wie der letzte Depp) werden von komplexer und (grösstenteils) glaubhafter Figurenzeichnung umrandet und situiert.
Das schmucke, klappbroschierte Büchlein aus dem Verlag pudelundpinscher mutet auf den ersten Blick harmlos an. Erst beim zweiten, genauen Blick entdeckt man mit Thomas Heimgartner hier einen Erzähler, der nicht nur sichtlich Freude am Vorantreiben einer Geschichte hat, sondern auch einen, der genau weiss, wie er eine Geschichte zu komponieren hat. So bleibt der Ernst an der Sache im heiter-amüsanten Erzählton nicht vergessen, so wechselt die Erzählperspektive genau im richtigen Moment und so entsteht eine komplexe Figur, deren Nekrolog eine durchweg lesenswerte Geschichte darstellt.
Zum Buch: Klappbroschur · fadengeheftet
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