mn ltztr krnz ei ee a von Hartmut Abendschein
Nick Lüthi
Sperrig ist “mn ltztr krnz ei ee a” schon ziemlich. Das beginnt ja bereits beim Titel. Mit etwas Geduld und Fantasie, wird sich daraus dann irgendwann “mein letzter kranz” ergeben, aber da stellen sich ja dann auch schon die ersten Fragen: Warum sind hier die Konsonanten von den Vokalen aufgetrennt worden? Was ist dieser besagte letzte Kranz? Und weshalb genau steht da jetzt nicht “mein letzter kranz”?
Nun ja, weder der Text noch das Buch erklären sich selbst, auch dem Nachwortschreiber Stefan Humbel bleibt nur das Raten übrig. Aber, einige Fragen lassen sich doch beantworten. “Mein letzter Kranz” ist ein Sonettenkranz, der 2007 in der Zeitschrift spatien veröffentlicht wurde. Dieser Sonettenkranz ist auch in dieser Ausgabe noch einmal abgedruckt. Da sich hier die nächste Frage zwangsläufig stellt, gleich zur Erklärung des Sonettenkranzes. Ein Sonettenkranz besteht aus 15 Sonetten. Die letzte Zeile eines Sonettes ist jeweils die erste Zeile des darauffolgenden. Das geht 14 Sonette lang gut, das 15. Sonett jedoch, ist das sogenannte Meister-Sonett und besteht aus den jeweils ersten Zeilen der 14 vorgängigen Sonette. Nun gut, Abendschein hat also einen (übrigens sehr schönen) Sonettenkranz geschrieben, ein Gedicht in strenger Form. Das Rätsel um “mn ltztr krnz ei ee a” löst dies aber nur bedingt.
Abgedruckt in diesem Band ist nun die um Konsonanten und Vokale getrennte Ursprungsversion in zweifacher Ausführung, einmal horizontal und einmal vertikal. Diese Abdrucke sind Faksimiles, die neuen Versionen wurden auf Schreibmaschine geschrieben. Fehler und Korrekturen inklusive, versteckt wird hier nichts. Es gibt verschiedenste Deutungsmöglichkeiten, was das nun ist. Typewriter-Kunst, eine Über- oder Umsetzung des Ursprungskranzes? Im sympathischen Nachwort (wer Jacques Tati im ersten Satz zitiert kann kein so falscher Zeitgenosse sein) widmet sich Stefan Humbel diesen Überlegungen en Detail. Ich erlaube mir hier jetzt, ganz eigene Deutungen anzubringen, nämlich das, woran mich dr ltzt Krnz erinnert hat.
Technisch gesehen, bildet sich ein Reim immer auf den Vokal. Langes u reimt sich auf langes u, ziemlich unabhängig von der Konsonantenkonstellation (Wer jetzt reiner Reim schreien möchte bediene sich doch der Kommentarfunktion.). Sollte jemand also versuchen wollen, Reime zu bilden, so ist es ein ziemlich effektiver Weg, die Vokale herauszupicken und sich auf diese zu konzentrieren. Der Berner Rapper Greis hat dies im Song “U.i.a.” auf eindrückliche Art und Weise bewiesen, indem er konsequent alle Reime in der Abfolge der Vokale u i a gereimt hat (Hier nachzuhören). Eine Auftrennung von Vokal und Konsonant ist also nicht einfach sinnentleerend, sondern kann auch die pure Fokussierung auf den Reim ausdrücken. Da ein Sonett einem komplizierten Reimschema folgt, wäre es durchaus möglich “mn ltztr krnz ei ee a” als die absolute Unterwerfung dem Reimschema gegenüber zu verstehen. Erst durch diese Auftrennung tritt das Schema unter den Brennpunkt der Lupe. Wer diesem folgt, wird merken, alleine aufgrund der Vokale lassen sich die Reime entschlüsseln, auch wenn die Notation natürlich nicht immer die konkrete Aussprache wiedergibt.
Schlussendlich bleibt auch das natürlich nur ein Deutungsansatz. Hartmut Abendscheins Werk will sich einem auch nicht sofort (wenn überhaupt) erschliessen lassen. Die Sperrigkeit ist Teil des Programmes. Und dieses Programm hat einen grossen Vorteil, dadurch, dass die Deutung vor der Rezipient*in verschleiert wird und bleibt, ist man gezwungen, ab Seite 1 nachzudenken. Nichts anderes bleibt übrig als die hemmungslose Auseinandersetzung mit diesem Werk. Wer dies tut, der wird aber auch belohnt. Spätestens, wenn sich der Sonettenkranz in seiner originalen Form wiedergibt und Rückschlüsse auf die aufgetrennten Versionen zulässt. Was kann man sich denn heutzutage mehr Wünschen als kluge Denkanstösse und Dinge, die sich nicht auf den ersten Blick offenbaren.
Hartmut Abendschein: mn ltztr krnz ei ee a.
Mit einem Nachwort von Stefan Humbel.
100 Seiten.
Edition Taberna Kritika.
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