Gelassen atmet der Tag – Rose Ausländers Leben im Wort von Oxana Matiychuk
Übersetzt aus dem Ukrainischen von Kati Brunner
Nick Lüthi
Rose Ausländer hat über vieles geschrieben, im Spätwerk aber auch über die prägendsten Erlebnisse ihres Lebens, den Holocaust und den Zweiten Weltkrieg. In einer neu erschienen, illustrierten Biografie wird ihr Leben in Stationen nacherzählt.
Den ersten Gedichtband, den ich mir gekauft habe, versammelt Gedichte von Rose Ausländer (1901-1988) aus all ihren Schaffensphasen. Das war ein Glücksgriff, weil ihre Gedichte die einzigen aus dem Schulunterricht waren, die in mir etwas ausgelöst hatten und es vermochten, mehr zu übertragen als simple Reime und Reimschemata oder langweilige Versmasse (oder den pubertären Witz über den Titel von Friedrich Hebbels berühmtem Gedicht). Bis heute ist Ausländer eine meiner liebsten Lyrikerinnen geblieben und obwohl mir immer bewusst war, dass ihre Gedichte natürlich stark von ihrer Biografie geprägt sind, wusste ich über diese erstaunlich wenig. Das vorliegende Buch von Oxana Matiychuk schien mir also ein hervorragender Ausgangspunkt, um diesen Misstand zu beheben.
Mit der Zuweisung als Graphic Novel bin ich nicht ganz einverstanden. Denn erzählt wird hier eigentlich nur im Text, die grafische Ebene ist, anders als bei einer Graphic Novel, nicht erzählend eingebunden, sondern rein dekorativ. Viel eher trifft es hier die klassische Bezeichnung: illustriertes Buch.
In einfachen Kürzestsätzen erzählt Matiychuk in der Folge das Leben von der als Rosalie Scherzer geborenen Lyrikerin, deckt dabei alle wichtigen Stationen ab; von der ersten Heirat, zur baldigen Liebe zu einem anderen Mann, zum ersten Gedichtband, von der Migration nach Amerika und der Rückkehr nach Czernowitz, vom Leben im jüdischen Getto ebenda, vom Verlust der deutschen Sprache als Schreibsprache und von der erst spät erfolgten Wiederaneignung dieser, von den 25 Jahren zwischen dem ersten und dem zweiten Gedichtband und von diesem unglaublich ausuferndem Spätwerk, von dieser allein aufs Schaffen konzentrierten späten Lebensphase. All das erzählt Matiychuk lebhaft und verknappt, begleitet von den raffinierten Illustrationen von Olena Staranchuk und Oleg Gryshchenko. Die beiden orientieren sich an einem zwölfteiligen Raster (3×4), in dem sie ihre Illustrationen anordnen und mit denen die freien Zeichnungen eingefangen werden und in einen interessanten Kontrast gestellt erscheinen. Grundsätzlich ein schönes Buch, das knapp und präzise vom Leben dieser so bedeutenden Lyrikerin erzählt.
Ich salze meine Suppe mit Krokodiltränen. Das Krokodil, ein Geburtstagsgeschenk, liegt in der Küche und weint, weil ich nicht koche, was es gern frißt: Menschen. Ich füttere es mit Literatur. Es verschlingt alles, was ich ihm vorlese, bis auf Gedichte. Lyrik findet es unverdaulich.
Etwas schwierig aber, macht es mir der Ton des Bandes, der von der Flughöhe nahe an dem eines Kinderbuches ist, in der Wortwahl, Bedeutung und auch von den Themen her dann aber oftmals Kinder und Jugendliche überfordern würde. Dadurch steckt das Buch auch in einem etwas seltsamen Konflikt, will es doch eine komplexe, tragische Lebensgeschichte erzählen, tut dies aber in einem stellenweise unpassend wirkenden Ton. Ohne Kenntnis des Originals lässt sich bei so wenig Text nicht beurteilen, ob das auch ein Übersetzungsproblem ist, ich vermute aber stark, dass dieser eigentümliche Ton bereits im Original angelegt war und von Kati Brunner mit ähnlicher Wirkung ins Deutsche übertragen wurde.
Oxana Matiychuk: Rose Ausländers Leben im Wort, erster Satz.
Rose Ausländers Leben erscheint wie eine unglaubliche Geschichte. So viel hat sie durchgemacht!
So bleibt ein ästhetisch illustriertes Buch in merkwürdigem Ton, in dem das Leben einer der wichtigsten und (für mich) einer der eindrücklichsten Dichterinnen deutscher Sprache nacherzählt wird und deren Gedichte jedesmal, wenn ich sie wieder zur Hand nehme, viel auslösen und tiefgreifende Wirkung erlassen. Wer sich am Kinderbuchton nicht stört, findet hier einen guten Einstieg in die Biografie von Rose Ausländer.
Oxana Matiychuk: Rose Ausländers Leben im Wort.
Aus dem Ukrainischen von Kati Brunner.
Illustrationen von Olena Staranchuk und Oleg Gryshchenko.
Originalveröffentlichung 2019.
56 Seiten.
danubebooks.
Webseite zum BuchZum Buch: bedruckter Einband (Karton) · bedrucktes Vorsatzpapier (Grafik) · fadengeheftet
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