Schäfchen im Trockenen von Anke Stelling

Schäfchen im Trockenen startet gleich schon mit einer klaren Ansage, welche die gewählte Marschroute vorgibt (was sich auch gleich im ersten Satz zeigt, der im nächsten Abschnitt zitiert wird). Die Ich-Erzählerin Resi erzählt uns, oder besser gesagt ihrer Tochter Bea, von ihrem Leben. Ihr Leben dreht sich um die Familie, die eigenen Freunde, die beginnen sich zu distanzieren und um ihre Rolle als Mutter. Mal ist das belehrend, mal weise und ab und an auch einfach doof, was Resi da so von sich gibt. Aber immer wieder witzig und absurd.

Schäfchen im Trockenen hat mir ausserordentlich gut gefallen, der ganze Roman lebt von Resi als Erzählerin, ihrem Sprachwitz und den rhetorischen Übertreibungen, deren sie mehr als mächtig ist. Der Roman funktioniert wirklich gut auf dieser Ebene, man kann ihn als scharfgeschriebenen Essay über Familie, Kinder, Freunde und Beziehungen einer Mutter in ihren Vierzigern lesen. Damit tut man ihm aber Unrecht, denn man vermisst so die noch viel schärferen aber auch zarteren Ebenen, die einerseits von einer Familie erzählen die arm ist und andererseits von der Beziehung einer Mutter zu ihrer pubertierenden Tochter.

Auf diesen beiden anderen Ebenen entfaltet sich auch erst die volle Wirkung der Erzählung. Da ist erst mal diese sechsköpfige Familie, mit Eltern die beide als Künstler ein eher brotloses Dasein fristen und dann die vier Kinder, mit Bea als Ältester mit ihren vierzehn Jahren. Und diesem Familienleben widmen sich dann auch grosse Teile des Romans, nicht nur in der aktuellen Konstellation, immer wieder fliessen auch Resis Erinnerungen an ihre Kinder- und Jugendzeit mit ein. Es geschieht nichts ausserordentliches, man verhaftet sich halt im alltäglichen Chaos. Aber Resi ist scharfsinnig in der Beäugelung ihres Umfeldes.

Im Eigentlichen liegt hier ein einziger Monolog einer Mutter an ihre Tochter vor, von Resi an Bea. Nebst dem Verhältnis zwischen sich und Bea, reflektiert Resi auch immer wieder ihr Verhältnis zur eigenen Mutter, Marianne. Diese hat in ihrem Tagebuch einen einzigen Satz festgehalten, “Wieder einmal viel zu viel gegessen” und so gibt es auch nur genau drei Geschichten die Resi über ihre eigene Mutter zu erzählen weiss. Dies ist vielleicht der schönste Aspekt am ganzen Roman, der zarte Blick der Mutter auf ihre Tochter, welche als Pubertierende immer zwischen Entfremdung und Annäherung zu ihr hin und her schwankt. Ob Resi nun ihre Beziehung zu ihren Freunden, ihrer eigenen Mutter, ihren Kindern, ihren Freunden oder zu Bea reflektiert, immer wieder dringt die mütterliche Fürsorge durch. So will sie Bea zwar vieles lehren aber auch, dass die eigene Tochter mehr über die eigene Mutter zu erzählen haben wird als drei Geschichten.

Witzige Bücher scheitern oft, wenn dem Leser der Humor nicht passt. Schäfchen im Trockenen ist vordergründig kein witziges Buch, obliegt dementsprechend auch nicht dem Mantra witziger Bücher, aber trotzdem musste ich immer wieder laut vor mich hin lachen. Dies liegt einerseits am Sprachwitz, den Anke Stelling immer wieder ihren Figuren in den Mund legt aber auch an der Absurdität des Alltäglichen, die hier immer wieder fein herausgearbeitet wird. Man braucht sich ja nur nebenstehendes Zitat genauer anzuschauen. Wer es schafft, in einem Satz gleichzeitig soviel Scharfsinn und vulgäre Ulkigkeit zu verpacken, kann einem beim Lesen eigentlich nur Freude bereiten.

Ich kann Schäfchen im Trockenen von Anke Stelling allen nur wärmstens empfehlen. Das Buch funktioniert auf verschiedensten Ebenen, hat viel zu erzählen und trägt auch viel Hoffnung in sich. Es gelingt immer wieder, den Witz und die Absurdität im alltäglichen Chaos zu finden und pointiert darzustellen. Das ist auch das, was mir am besten gefallen hat, obwohl die Umstände meist nicht wirklich rosig sind, verliert Resi nie den weiten Blick auf den Horizont, an dem die Hoffnung schimmert. Die Schäfchen wollen ja schliesslich ins Trockene befördert werden.

Website des Verlags zum Buch


Anke Stelling: Schäfchen im Trockenen, erhältlich als Hardcover und E-book, 272 Seiten, Verbrecher Verlag.