Was Erbsen hören und wofür Kühe um die Wette laufen von Florianne Koechlin und Denise Battaglia
Nick Lüthi
“Was Erbsen hören und wofür Kühe um die Wette laufen” ist mir zufällig in die Hände gefallen. Es war ein Impulskauf. Ohne genaue Kenntnis über das Buch und seinen Inhalt. Zugegebenermassen, es fasst sich auch nicht leicht zusammen, worum es im vorliegenden Sachbuch genau geht. Es werden, will man denn einen Rahmen aufspannen, verschiedenste Themen aus der Biologie behandelt, jedes Kapitel widmet sich einem neuen Themengebiet. Die Themenvielfalt ist gross und reicht von behornten Kühen über Regenwürmer bis hin zu alternativ betriebener Landwirtschaft und koreanischer Tempelküche.
Ganz getreu des Titels eröffnet das erste Kapitel neue Erkenntnisse aus der Erbsenforschung. So wurden kürzlich von australischen Forschern Experimente mit umgekehrten Y-förmigen Behältnissen gemacht, in welche Erbsenkeimlinge gepflanzt wurden. Dabei stellte sich heraus, dass die Pflanzen ziemlich treffsicher in die Richtung Wurzeln schlugen, in der sich Wasser befand oder aber Wasser in der Nähe durchfloss. Ergo die titelgebenden Wasser-Hörenden-Erbsen. Das mag jetzt etwas sensationssuchend und aufgeblasen klingen, ist es aber zum Glück nicht. Die Autorinnen setzen sich fundiert mit dem aktuellen Forschungsstand auseinander und reflektieren gekonnt neue Ergebnisse und stellen diese auch in Bezug zu gesicherten Erkenntnissen.
Die einzelnen Kapitel sind meist in Form von Reportagen geschrieben und werden immer wieder ergänzt durch Interviews mit Forschern und Forscherinnen. In der Gesamtheit könnte ein solcher Aufbau schnell langweilig werden, jedes Kapitel ein neues Thema als Reportage abgeschrieben, das grosse Verdienst des Buches ist es aber, dass genau dies nicht geschieht. Die Autorinnen schaffen es, die einzelnen Kapitel als Einzelstücke eines grossen Ganzen wirken zu lassen und dementsprechend ein umfassendes Narrativ zu bilden.
“Was Erbsen hören …” ist zwar beste Unterhaltung und liest sich wahnsinnig schnell weg. Weil gut geschrieben und im perfekten Zwischenton von neuer Erkenntnis und Unterhaltung. Aber das hier sind nicht “ein paar Kapitel zu Themen, die wir auch noch so spannend fanden”, das ist ein Buch über die Natur, den Menschen und den menschlichen Umgang mit der Natur. Gerade am Schluss, wenn wir uns in einer koreanischen Tempelküche wiederfinden, wird klar, dass es hier ums Ganze geht.
Spannend sind auch die erläuterten Beobachtungen, wie sich die koreanische Sprache von westlichen Sprachen unterscheidet. Auf Koreanisch wird nicht “Ich habe Hunger” gesagt, sondern sinngemäss “Der Bauch verlangt Essen” ausgedrückt. Die Autorinnen nutzen diesen Umstand auch, um sanfte Kritik am westlichen Leben zu üben, das “Der Bauch verlangt Essen” ist da eben nicht nur die Wahl anderer Worte zum Ausdruck von einem “Ich habe Hunger” sondern fusst auf einer anderen Betrachtungsweise der Welt, einer, die mit der Natur sehr viel verbundener ist wie die Unsere. Implizit wird von den Autorinnen also die Saphir-Whorf Hypothese vertreten, wonach unser Weltbild und unsere Wahrnehmung der Welt stark von unserer Sprache beeinflusst wird. (Diese These wird übrigens auch im lesenswerten Sci-Fi Klassiker Babel 17 abgehandelt, Rezension dazu gibt es hier).
Die einzigen Makel, die ich diesem Buch anzulasten habe sind gestalterischer Natur: Das Cover hat bei mir vieles ausgelöst, sicherlich aber nicht die Lust, das Buch zu kaufen. Ausserdem hätte ich mir für das Buch ein grösseres Format gewünscht, die Bilder und der Text wirken teilweise extrem gedrängt und die Fotografien werden in die Ecken gequetscht, dies ist zu bedauern. Warum für ein so spannendes wie tolles Buch nicht ein grösseres Format und somit mehr Platz wählen? Auch die Bindung liess zu wünschen übrig, mein Exemplar knarzte und knackte und flog schon nach dem ersten Lesen fast auseinander. Schade um ein so gutes Buch.
Kurzum: Ein tolles Buch und die einzigen Mängel sind gestalterischer Art. Inhaltlich wird hier zwar unterhalten, gleichzeitig aber informiert und in Zusammenhängen gedacht. Klare Leseempfehlung meinerseits. Ein spannendes und sehr gut geschriebenes Sachbuch.
Florianne Koechlin, Denise Battaglia: Was Erbsen hören und wofür Kühe um die Wette laufen.
264 Seiten.
Lenos.
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