Böse Delphine von Julia Kohli
Nick Lüthi
Halina schleudert durchs Leben. Gerade hat sie mit 27 ihr Geschichtsstudium begonnen, nebenbei jobbt sie in einem Buchladen am Flughafen. Abends treibt sie mit Freunden durch das studentische Nachtleben in Zürich, trifft dort auf Elias, den sie bald darauf zu einem Date trifft. Die Tage in Halinas Leben ähneln sich, tagsüber Seminararbeiten und sandwichhinterlassende Touristen, nachts Dates, Partys oder Netflix mit bestellter Pizza. Was sie genau will oder antreibt, ist Halina selbst genauso wenig klar wie ihren Freunden. Man nimmt, was kommt und das Tag für Tag. Antriebslosigkeit und Unentschlossenheit sind Teil des Programms.
Böse Delphine geht durch wie Butter. Kaum mit dem Lesen begonnen, blättert man plötzlich die letzte Seite des immerhin gut 200 Seiten fassenden Romans um und entlässt die Figuren zurück in ihr anstrengendes Leben. Der Text, der als Konterpunkt zum anstrengenden Leben seiner Figuren funktioniert, wirkt komplett anstrengungslos und fliesst nur so daher. Der Roman fungiert aber als Momentaufnahme einer Generation und erreicht damit mehr als blosse Unterhaltung. Man kann also nur vermuten wie viel Sorgfalt in diese fliessende Sprache und Erzählweise geflossen sein muss.
Julia Kohli gelingt es ausserordentlich gut, das Lebensgefühl einer bestimmten Generation in einem spezifischen Milieu einzufangen und zu beleuchten. Sie erweist sich als genaue Beobachterin, die die Geschichten von genau diesen Mitt- und Endzwanzigern erzählt, die ihr Leben noch immer nicht so recht auf die Reihe bekommen haben. Ein bisschen dort jobben, ein bisschen da jobben, ohne zu wissen, was sie wirklich wollen. Stellenweise erinnert das an einen coming-of-age Roman, bis man sich wieder bewusst macht, dass die Figuren ja Ende zwanzig sind. Aber vermutlich ist genau dieser Umstand der beste Ausdruck dieser Generation.
Alles was die Figuren machen ist furchtbar anstrengend, seien es nun Beziehungen oder das tägliche Leben. Gleichzeitig nehmen sie sich selbst furchtbar wichtig und sind komplett ironiebefreit. Obwohl die Figuren manchmal antriebslose Vollpfosten sind, die sich an Problemchen versuchen, macht sich Kohli nie über ihre Figuren lustig. Kohlis Erzählweise ist aber voller Witz, es sind aber eben nicht die Figuren, über die sich lustig gemacht wird, sondern die Situationen in denen sie sich wiederfinden, die diesen Witz erzeugen. Erinnert hat mich das an den hier erst kürzlich besprochenen Roman Am schwarzen Loch von Chrizzi Heinen. Während sich Heinen aber der Überdrehung und bei der Absurdität bedient, ist Kohlis Blick sehr viel geerdeter und realistischer, um nicht zu sagen liebevoll. Mit viel Verständnis und Solidarität wird hier die Unentschlossenheit und das Treibenlassen der Figuren erzählerisch beobachtet und umschrieben.
Auf leichtfüssige Art und Weise wird in Böse Delphine von einer unentschlossenen Generation erzählt. Das ist witzig, auf den Punkt gebracht und vor allem sehr genau beobachtet. Dabei wirkt das Ganze komplett ohne Anstrengung dahingeworfen. So genau zu beobachten und zu karikieren, ohne angestrengt zu wirken, ist bereits sehr geschickt. Das Ganze dann in einen Roman zu verpacken, der durch geht wie Butter, äusserst kunstfertig.
Zum Buch: bedruckter Umschlag · farbiger Einband (Karton, gelb) · Klebebindung
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